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Recht auf Vorsteuerabzug beim Erwerb von Dienstleistungen innerhalb einer Unternehmensgruppe – Urteil des EuGH

Recht auf Vorsteuerabzug beim Erwerb von Dienstleistungen innerhalb einer Unternehmensgruppe – Urteil des EuGH

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Datum17 Feb 2025
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Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 12. Dezember 2024 in der Rechtssache C-527/23 betrifft das Recht auf Vorsteuerabzug für Dienstleistungen, die innerhalb einer Unternehmensgruppe erworben werden. Das Urteil betont die Grenzen des Eingriffs der Steuerbehörden in die Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Aufwendungen von Unternehmen und erinnert daran, dass das entscheidende Kriterium der Zusammenhang der Dienstleistungen mit der besteuerten Umsätzen ist.


Rechtsstreit zwischen dem Steuerpflichtigen und den Steuerbehörden

Der Fall betraf das rumänische Unternehmen Weatherford Atlas Gip SA, das zu einer internationalen Unternehmensgruppe im Bereich Öldienstleistungen gehört. Infolge der Übernahme eines anderen Unternehmens der Gruppe, Foserco SA, erbte Weatherford Atlas Gip auch Steuerschulden, einschließlich Mehrwertsteuerabrechnungen im Zusammenhang mit Verwaltungsdienstleistungen, die von anderen Weatherford-Gruppengesellschaften mit Sitz außerhalb Rumäniens bezogen wurden.

Die Mehrwertsteuer auf diese Dienstleistungen wurde nach dem Reverse-Charge-Verfahren abgerechnet, was bedeutete, dass das Unternehmen als Käufer verpflichtet war, die Steuer zu berechnen und abzuziehen. Bei einer Steuerprüfung stellten die rumänischen Steuerbehörden jedoch das Recht auf Vorsteuerabzug in Frage und behaupteten, dass:

  • die erworbenen Verwaltungsdienstleistungen weder notwendig noch angemessen für die Geschäftstätigkeit seien,
  • die Dienstleistungen wurden auch von anderen Unternehmen der Gruppe in Anspruch genommen, was die ausschließliche Zuordnung der Kosten zu Weatherford Atlas Gip SA infrage stellte.

Infolgedessen verweigerten die rumänischen Steuerbehörden dem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug, was zu einem Rechtsstreit führte, der vor den EuGH gebracht wurde.


Vorlagefragen

Das nationale Gericht legte dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

  1. Ist Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie im Licht des Grundsatzes der Steuerneutralität dahin auszulegen, dass er in Sachverhalten wie jenem des Ausgangsverfahrens der Steuerbehörde verbietet, einem Steuerpflichtigen das Recht auf den Vorsteuerabzug der für erworbene Verwaltungsdienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer zu versagen, sofern festgestellt wird, dass alle für die erworbenen Dienstleistungen verbuchten Kosten in die allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen eingeflossen sind und der Steuerpflichtige nur besteuerte Umsätze tätigt, dass die Erbringung der Dienstleistungen von der Steuerbehörde ausdrücklich bestätigt wird und dass die steuerliche Behandlung nach dem Reverse-Charge-Verfahren erfolgt (wodurch ein Schaden für den Fiskus ausgeschlossen wäre)?
  2. Können bei der Auslegung von Artikel 2 und 168 der [Mehrwertsteuer-]Richtlinie in Sachverhalten wie jenem des Ausgangsverfahrens die Management- und Verwaltungsdienstleistungen (d. h. Beistands- und Beratungsdienstleistungen in verschiedenen Bereichen, Finanz- und Rechtsberatung), die zwischen Unternehmen innerhalb einer Gruppe zugunsten mehrerer Mitglieder der Gruppe erbracht werden, von jedem einzelnen Mitglied als für die Zwecke besteuerter Umsätze verwendet bzw. für den eigenen Bedarf erworben angesehen werden?
  3. Kann bei der Auslegung von Artikel 2 der [Mehrwertsteuer-]Richtlinie, sofern festgestellt wird, dass konzerninterne Dienstleistungen nicht zugunsten eines der Konzernmitglieder erbracht werden, eine Gesellschaft, die dem Konzern angehört, aber von der angenommen wird, dass sie diese Dienstleistungen nicht in Anspruch genommen hat, als Steuerpflichtiger angesehen werden, der als solcher handelt?

EuGH- Entscheidung über das Recht auf Vorsteuerabzug

Der EuGH entschied, dass die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug in diesem Fall einen Verstoß gegen das grundlegende Prinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt, nämlich die Steuerneutralität. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet die völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von deren Zweck und deren Ergebnis Wenn also derjenige, der den Vorsteuerabzug vornimmt, ein aktiver Steuerpflichtiger ist und die von ihm erworbenen Dienstleistungen mit seiner besteuerten Umsätzen zusammenhängen, sollten weder die Steuerbehörden noch die Gerichte die wirtschaftliche Rentabilität der Transaktion beurteilen oder das Recht auf Vorsteuerabzug auf dieser Grundlage einschränken.

Die Tatsache, dass die erworbenen Dienstleistungen auch von einer Unternehmensgruppe in Anspruch genommen wurden, schließt das Recht auf Vorsteuerabzug nicht aus, sofern der Steuerpflichtige in der Lage ist den Teil der Ausgaben, der ausschließlich auf seinen eigenen Bedarf entfällt, genau abzugrenzen und zu begründen kann. Diese Frage wird letztlich vom nationalen Gericht entschieden.

Der EuGH betonte, dass die Steuerbehörden das Recht auf Vorsteuerabzug anhand des objektiven Inhalts der betreffenden Umsätze und nicht auf der Grundlage einer subjektiven Beurteilung der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit dieser Ausgaben beurteilen sollten.


EuGH-Urteil:

Artikel 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis, wonach die Steuerbehörden das Recht auf Abzug der Vorsteuer, die ein Steuerpflichtiger beim Erwerb von Dienstleistungen von anderen, derselben Unternehmensgruppe angehörenden Steuerpflichtigen entrichtet hat, mit der Begründung versagt, dass diese Dienstleistungen gleichzeitig an andere Gesellschaften dieser Gruppe erbracht worden seien und ihr Erwerb nicht erforderlich oder zweckmäßig gewesen sei, entgegensteht, wenn erwiesen ist, dass der Steuerpflichtige diese Dienstleistungen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze verwendet.


Bedeutung des Urteils für polnische Steuerpflichtige

Das EuGH-Urteil könnte Auswirkungen auf polnische Unternehmen und die Praxis der nationalen Steuerbehörden haben. In Polen stellen die Steuerbehörden das Recht auf Vorsteuerabzug häufig in Frage und machen es von ihrer subjektiven Beurteilung der Begründetheit und wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit der getätigten Ausgaben abhängig. Das EuGH-Urteil stellt klar, dass ein solcher Ansatz möglicherweise gegen den Grundsatz der Mehrwertsteuerneutralität verstößt, der den Steuerpflichtigen das Abzugsrecht garantiert, wenn die Ausgaben mit besteuerten Umsätzen zusammenhängen – unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Notwendigkeit.

Das Urteil könnte auch die Rechtsprechung der polnischen Verwaltungsgerichte beeinflussen, die seine Auslegung bei der Beilegung von Steuerstreitigkeiten berücksichtigen müssen. Dies könnte zu einer Verringerung willkürlicher Entscheidungen der Steuerbehörden und zu einer größeren Vorhersehbarkeit bei der Abrechnung der Mehrwertsteuer führen.

Allerdings sollten Steuerpflichtige bedenken, dass das Urteil zwar den Schutz ihrer Rechte stärkt, sie jedoch nicht von der Pflicht entbindet, eine sorgfältige Dokumentation zu führen und einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen den erworbenen Dienstleistungen und den besteuerten Umsätzen nachzuweisen. Daher sind eine gründliche Vorbereitung auf mögliche Prüfungen und die Anwendung transparenter Abrechnungsregeln innerhalb von Unternehmensgruppen von entscheidender Bedeutung.

In der Praxis sollten Unternehmen:

  • detaillierte Dokumentation führen, die die tatsächliche Verwendung der erworbenen Dienstleistungen für ihre besteuerte Umsätze belegt,
  • transparente Methoden zur Kostenallokation innerhalb von Unternehmensgruppen anwenden, um nachzuweisen, welcher Anteil der Ausgaben auf welche Einheit entfällt,
  • auf mögliche Steuerprüfungen und die Notwendigkeit vorbereitet sein, ihre Position in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu verteidigen.

Fazit

Das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-527/23 weist darauf hin, dass Steuerneutralität das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer auf Ausgaben im Zusammenhang mit besteuerten Umsätzen bedeutet, unabhängig von deren Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit. Dies ist eine wichtige Entscheidung, die sich auf die Praxis der polnischen Steuerbehörden auswirken und den Schutz der Unternehmen vor übermäßigen Eingriffen des Fiskus stärken könnte.

Angesichts der sich dynamisch ändernden Vorschriften und der Steuerpraxis ist eine angemessene Vorbereitung und Sicherung der Unternehmensinteressen von entscheidender Bedeutung. Wenn Sie Fragen zum Recht auf Vorsteuerabzug innerhalb einer Unternehmensgruppe haben oder Ihre Situation im Hinblick auf die geltenden Vorschriften überprüfen lassen möchten, steht Ihnen unser Expertenteam zur Verfügung. Wir bieten umfassende Steuerberatung, Unterstützung bei der Analyse von Unterlagen und Begleitung bei Verfahren vor den Steuerbehörden.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, oder zusätzliche Informationen benötigen, zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren:

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