Aktuelles

/ Steuern und Recht in Polen

Reihengeschäfte und Umsatzsteuer im Export – wichtiges Urteil des polnischen Obersten Verwaltungsgerichts (NSA)

Reihengeschäfte und Umsatzsteuer im Export – wichtiges Urteil des polnischen Obersten Verwaltungsgerichts (NSA)

/
Datum29 Mai 2025
/

Reihengeschäfte werfen seit Jahren erhebliche praktische und auslegungstechnische Fragen im Bereich der Umsatzsteuer auf – insbesondere im Zusammenhang mit dem Export in Drittländer. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, festzustellen, welche Lieferung in der Kette als bewegte Lieferung gilt (und somit den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 0 % in Anspruch nehmen kann) und welche eine unbewegte Lieferung ist, die in Polen besteuert wird. Von entscheidender Bedeutung ist dabei der Zeitpunkt der Übertragung des Rechts, über die Ware wie ein Eigentümer zu verfügen.

In seinem Urteil vom 28. Januar 2025 (Az. I FSK 1389/21) hat das polnische Oberste Verwaltungsgericht (NSA) klargestellt, wann ein Zwischenhändler in der Lieferkette eine Lieferung als Export betrachten darf und wann die Anwendung des MwSt-Satzes von 0 % unbegründet ist.


Sachverhalt: Export über einen Zwischenhändler

Der Fall betraf ein Unternehmen, das im Bereich der Herstellung von Stahlkonstruktionen tätig ist. Das Vertriebsmodell war typisch für Reihengeschäfte:

  • Das Unternehmen A verkaufte die Ware an einen polnischen Käufer (B),
  • Der Käufer B verkaufte diese an einen Vertragspartner aus einem Drittland (C) weiter,
  • Die Ware wurde direkt vom Unternehmen A (oder seinem Subunternehmer) an den Empfänger C außerhalb der EU geliefert.

Entscheidend waren die Lieferbedingungen:

  • Die Lieferung A → B erfolgte zu EXW/FCA-Bediengungen, was bedeutet, dass das Risiko und das Eigentum an der Ware bereits in Polen auf den Käufer übergingen,
  • Der Käufer B war für die Organisation des Transports und die Zollanmeldung verantwortlich und trug das gesamte Transportrisiko,
  • Das Unternehmen A erhielt ein Ausfuhrbestätigung (die sogenannte IE-599-Mitteilung), jedoch war der Käufer B als Absender angegeben.

Streit um das Recht auf 0 % Mehrwertsteuer

Das Unternehmen A war der Ansicht, dass es, da die Ware die EU verlässt und es über die entsprechenden Dokumente verfügt, Anspruch auf einen 0 %-Mehrwertsteuersatz hat. Der Direktor der polnischen Nationalen Informationsstelle für Steuern (KIS) war jedoch anderer Meinung und erklärte, dass es sich bei der Lieferung A → B um eine inländische, unbewegte Lieferung handele und nur die Lieferung B → C als Ausfuhrlieferung zu werten sei.

Das Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Posen gab dem Unternehmen zunächst recht, jedoch hob das NSA dieses Urteil auf und wies die Klage ab.

Der Fall zeigt, wie unterschiedlich die Auslegungen durch Finanzbehörden und Gerichte in Polen sein können.


Die entscheidende Stellungnahme des NSA

Im Rahmen der vom Direktor der KIS eingereichten Kassationsklage analysierte das NSA die Bedingungen der Transaktion erneut und eine andere Position als das Gericht der ersten Instanz eingenommen. Nach Ansicht des NSA war entscheidend, wer tatsächlich das Recht hatte, in den einzelnen Phasen der Transaktion wie ein Eigentümer über die Ware zu verfügen, und wer den Transport in ein Drittland organisierte.

Das NSA bestätigte, dass:

  • das Recht, über die Ware wie ein Eigentümer zu verfügen, bereits in Polen auf den Käufer B übergeht – gemäß den Bedingungen EXW und FCA,
  • B den Transport organisiert und in eigenem Namen handelt,
  • der Transport der Lieferung B → C zuzuordnen ist, d. h. diese Lieferung eine Lieferung beweglicher Sachen (Export) ist,
  • die Lieferung A → B als inländische, unbewegte Lieferung gilt und nicht mit dem 0 % MwSt-Satz besteuert werden kann.

Das Gericht betonte zudem, dass das Vorliegen des Dokuments IE-599 (Ausfuhrnachweis) allein nicht ausreicht, wenn nicht der erste Lieferant (A) den Transport organisiert und das Recht behält, während des Transports über die Waren zu verfügen.


Was bedeutet das für Unternehmen?

Das Urteil des NSA verdeutlicht mehrere Risiken im Zusammenhang mit Reihengeschäften im Export:

  • Eine falsche Einstufung der Lieferung (z. B. Anwendung von 0 % MwSt bei einer inländischen Lieferung) kann zu Steuernachzahlungen führen,
  • Lieferbedingungen wie Incoterms sind zwar wichtig, aber nicht das einzige Kriterium. Entscheidend ist der tatsächliche Zeitpunkt der Eigentumsübertragung,
  • Ausfuhrdokumente wie IE-599 entscheiden nicht allein über die Anwendbarkeit eines Präferenzsteuersatzes.

Wie lassen sich Fehler vermeiden?

Um Streitigkeiten mit den polnischen Steuerbehörden und Steuerrisiken zu vermeiden:

  • Dokumentieren Sie den Sachverhalt genau – wer ist für den Transport verantwortlich, wer trägt die Kosten, wer organisiert die Zollanmeldung?
  • Analysieren Sie die Incoterms-Bediengungen, aber verlassen Sie sich nicht ausschließlich darauf,
  • Dokumentieren Sie den Sachverhalt genau – wer ist für den Transport verantwortlich, wer trägt die Kosten, wer organisiert die Zollanmeldung,
  • Konsultieren Sie einen Steuerberater, insbesondere bei Exporten außerhalb der EU.

Das Urteil des polnischen Obersten Verwaltungsgerichts zeigt erneut, wie mehrdeutig und strittig die Vorschriften zu Reihengeschäften im Export sind, insbesondere, wenn der Transport durch einen Zwischenhändler organisiert wird. Unterschiedliche Auslegungen der Gerichte und Steuerbehörden in Polen machen deutlich, dass selbst bei gut dokumentierten Exporten die Anwendung des Mehrwertsteuersatzes von 0 % in Frage gestellt werden kann.

Daher ist es unerlässlich, jede Reihentransaktion individuell zu bewerten, wobei der Schwerpunkt auf der Feststellung des Zeitpunkts der Übertragung des Rechts, über die Ware wie ein Eigentümer zu verfügen, und nicht nur auf den formalen Bedingungen der Internationalen Handelsregeln (Incoterms) liegen sollte.

Angesichts der geltenden Rechtsprechung und der fehlenden einheitlichen Auslegungslinie müssen Unternehme besonders vorsichtig handeln – schon kleine Fehler bei der Zuordnung des Transports können erhebliche steuerliche Folgen haben. In solchen Fällen ist es ratsam, die professionelle Unterstützung von Steuerberatern in Anspruch zu nehmen, um die Transaktionsstruktur korrekt zu analysieren und Streitigkeiten mit den Behörden zu vermeiden.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, oder zusätzliche Informationen benötigen, zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren:

Kontakt »

ABTEILUNG KUNDENBETREUUNG

ELŻBIETA<br/>NARON - GROCHALSKA

ELŻBIETA
NARON-GROCHALSKA

Abteilungsleiter Kundenbetreuung
getsix® Gruppe
pl en de

***

Diese Veröffentlichung ist eine unverbindliche Information und dient der allgemeinen Information. Die bereitgestellten Informationen stellen keine Rechts-, Steuer- oder Unternehmensberatung dar, und ersetzen auch keine individuelle Beratung. Trotz sorgfältiger Bearbeitung werden alle Angaben in dieser Veröffentlichung ohne Gewähr für die Richtigkeit, Aktualität und Vollständigkeit der Informationen gemacht. Die Informationen in dieser Veröffentlichung sind nicht als alleinige Handlungsgrundlage geeignet, und können eine konkrete Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Die Haftung der Autoren oder von getsix® ist ausgeschlossen. Wir bitten Sie, sich bei Bedarf für eine verbindliche Beratung direkt an uns zu wenden. Der Inhalt dieser Veröffentlichung ist geistiges Eigentum von getsix® oder seiner Partnerunternehmen und ist urheberrechtlich geschützt. Nutzer dieser Informationen dürfen den Inhalt der Veröffentlichung ausschließlich für eigene Zwecke herunterladen, ausdrucken oder kopieren.

Unsere Empfehlungen

Unsere Mitgliedschaften

Unsere Zertifikate

Wojskowe Centrum Normalizacji Jakości I KodyfikacjiTÜV NORDTÜV RHEINLAND

Unsere Partnerschaften

Kompetenzen